Dienstag, 28. April 2009

Die Parlamentarische Versammlung debattiert über den nächsten Generalsekretär des Europarates

(Original: Parliamentary Assembly debates next Secretary General of the Council of Europe and celebrates the CoE's 60th anniversary)

Nein, der Europarat ist nicht der Rat der Europäischen Union, er ist eine unabhängige Internationale Organisation mit 47 Mitgliedsstaaten des gesamten Kontinents.

Der Europarat ist eine Europäische Union light, er ist wie der intelligente ältere Bruder von dem alle dachten, dass er mal der Stolz der Familie werden würde, nur dass der jüngere Bruder Wirtschaft studierte, reich wurde (mit Kohle und Stahl), und so für alle in der Familie Geschenke kaufen und zum Lieblingsjungen werden sollte. Der ältere Bruder studierte Philosophie, kam herum, hatte immer mehr echte Freunde, schrieb die besseren Bücher, hatte die besseren Antworten parat und war bei seinen Kollegen und allen die ihn kannten respektiert - nur hatte er halt nie genug Geld und Aufmerksamkeit, um sich beliebt zu machen.

Dieser ältere Bruder, der Europarat, feiert dieses Jahr seinen 60. Geburtstag.

In dieser Woche trifft sich die Parlamentarische Versammlung des Europarates - die der Beratenden Versammlung, dem Vorgänger des Europaparlaments, sehr ähnlich ist - zu ihrer zweiten von vier jährlichen Sitzungen. Parlamentarier aus den 47 Mitgliedsstaaten diskutieren in Strasbourg Fragen von allgemeiner Wichtigkeit und Dringlichkeit.

Natürlich spielt auch der Geburtstag des Europarates eine besondere Rolle während dieser Sitzungswoche. In seiner Geburtstagsrede im Anschluss an diesen kleinen Film, fasste Lluís Maria de Puig, der Präsident der Parlamentarischen Versammlung die Arbeit des Europarates wie folg zusammen:
"Der Europarat ist vor allem eine moralische Größe. Diese Größe wird auf unterschiedlichste Weise, aber mit dem gleichen Ziel, zum Ausdruck gebracht, durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der dieses Jahr seinen 50. Geburtstag feiert, durch das Ministerkomitee, welches die Regierungen vertritt, durch die Institution des Menschenrechtskommissars, durch die Venedigkommission und durch das Europäische Jugendzentrum, um nur ein paar zu nennen, und natürlich auch durch diese Versammlung, die über die gewählten Vertreter die Stimme von 800 Millionen Europäern nach außen trägt."
Die wichtigen Themen dieser Sitzungswoche werden die drei Dringlichkeitsdebatten sein:
  • zur Situation in der Republik Moldau;
  • zur Nicht-Ratifikation des 14. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention; und
  • zur Wahl des nächsten Generalsekretärs des Europarates.
Die regelmäßigen Leser meines englischen Blogs werden wissen, warum das erste Thema wichtig ist (zum Nachlesen hier und hier).

Das zweite Thema ist schon ein alter Bekannter für Europaratkenner, seit bestimmt vier Jahren: 46 von 47 Mitgliedsstaaten des Europarates (die damit alle auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) inklusive einiger Zusatzprotokolle ratifiziert haben), haben das 14. Zusatzprotokoll zur EMRK unterzeichnet und ratifiziert, und das schon seit Jahren. Nur Russland, obwohl es das Protokoll unterzeichnet hat, weigert sich, es zu ratifizieren. Diese Protokoll soll nämlich die Arbeitsweise des Menschenrechtsgerichtshofs, der über die EMRK wacht, reformieren und vereinfachen, weil der Europäische Menschenrechtsgerichtshof mit Fällen überlastet ist und schneller arbeiten können muss, um seiner Aufgabe noch gerecht werden zu können. Aber da Russland natürlich nicht davon profitieren würde, wenn mehr Fälle (auch gegen Russland) abgeschlossen würden, blockiert es die Reform, die nur in Kraft treten kann, wenn alle 47 Staaten das Protokoll ratifiziert haben.

Das dritte Thema werden die meisten von euch vermutlich noch nicht auf dem Schirm haben. Der Europarat bekommt dieses Jahr einen neuen Generalsekretär. Der amtierende, Terry Davis, darf nicht noch einmal antreten, und so wurden die Mitgliedsstaaten aufgerufen, Kandidatenvorschläge für einen Nachfolger einzureichen.

Verschiedenen Quellen zufolge (z.B. die hier und die hier), gab es vier Kandidaten (die Frist hierfür war bereits im März abgelaufen), von denen, nach einer internen Abstimmung auf diplomatischer Ebene vergangene Woche (die unbestätigten Resultate sind hier veröffentlicht) nur die ersten zwei der unten stehenden Namen der Parlamentarischen Versammlung bei ihrer nächsten Sitzung im Juni vorgelegt werden.

Die Kandidaten sind (bzw. waren):
Der endgültigen Tagesordnung zufolge, wird die Debatte über den nächsten Generalsekretär am Mittwoch ab 15 Uhr stattfinden; die Diskussion zur Republik Moldau folgt dann im Anschluss. Das 14. Zusatzprotokoll steht am Donnerstag auf der Tagesordnung.

Da die gesamten Sitzunge via Livestream gezeigt werden, kann man sich das durchaus anschauen.

Es scheint also eine interessante Geburtstagswoche zu werden, und hinzu kommen noch Reden von Tarja Halonen, der finnischen Präsidentin und des spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero.

Zum Abschluss bleibt eigentlich nur eine Bitte: Ich weiß, dass der Europarat von den meisten ignoriert und von einigen gering geschätzt wird, aber die Themen, die er bearbeitet und die Breite der Länder, die er abdeckt, machen ihn zu einer der drei großen europäischen Organisationen, neben der EU und der OSCE. Ich kann nur empfehlen mitzuverfolgen, was in seinen unterschiedlichen Organen und Institutionen passiert, denn auch wenn die politische Wirkung nicht immer sichtbar sein mag, so spielt der Europarat doch in vielen Fällen, nicht zuletzt in Osteuropa und in Verbindung mit Gerichtsurteilen des Menschenrechtsgerichtshofs, eine zentrale Rolle für die Sicherung der europäischen Werte, insbesondere für den Schutz der Menschenrechte!

Ich wünsche dir daher alles Gute zum Geburtstag, Bruder Europarat, und wünsche viel Glück und gutes Gelingen für die Zukunft!

(Anmerkung: Das englische Original dieses Beitrags war der 500. Artikel von "Watching Europe". Da war es nur konsequent, ihn einer pan-europäischen Organisation zu widemen, die älter ist als die Europäische Union, die - was viele nicht wissen - die Mutter der Europäischen Flagge und der Europahymne ist, die in fast alle Bereiche des europäischen Kontinents reicht, und die sich den Werten verschrieben hat, die auch Antrieb für meine persönliche, politische und berufliche Arbeit sind: Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit!)

0 Kommentar(e):