Mittwoch, 22. April 2009

Warum ich blogge?

(Original vom 21. April: Why do I blog?)

Joseph hat mich in einem Kommentar zu einem früheren Artikel [nicht übersetzt] gefragt:

"Warum bloggst du, Julien? Du schreibst verdammt viel - was ist deine Motivation? Bist du einfach ein Geek [schwer zu übersetzen; ungefähr: Streber, Spezialist] (also, voller Leidenschaft für dein Thema)?"

Naja, Geld ist zu machen ist jedenfalls nicht meine Absicht. Das war es nie. Obwohl es lustig wäre von einem Hobby zu leben.

"Leidenschaft" ist vielleicht etwas zu stark, aber im Verhältnis zu anderen kommt das möglicherweise hin. Ich glaube einfach, ich bin mit der Zeit ein Europa- und EU-Geek geworden, auch wenn das nicht von Anfang an so war.

Als ich dieses Blog [Anmerkung: Mein englisches Blog gibt es seit Juli 2008.] angefangen haben, wollte ich Diskussionen dahin bringen, wo es noch nicht genug Diskussionen gab und dabei eine Perspektive hervorheben, die auf die Dinge mit einem europäischen Blick schaut.

Ich habe vor einigen Jahren angefangen, auf europäischer Ebene aktiv zu werden, und schon dort habe ich realisiert, dass die Diskussionen, die ich gesehen und an denen ich teilgenommen habe, nicht wirklich europäische Diskussionen waren. Und sie wurden meist so geführt, als wären die Themen komplett neu - in einem Vakuum ohne Argumente und Perspektiven, das unbedingt mit Leben gefüllt werden muss(te).

Wenn du dir anschaust, was ich auf diesem Blog schreibe, wirst du sehen, dass es verschiedene konkrete Motivationen für die unterschiedlichen Artikel gibt:

Manchmal stoße ich auf eine Sache, einen Text, einen Blogbeitrag, den ich für mich interessant finde oder von dem ich denke, dass er eine größere Leserschaft (wenn man von "größerer" Leserschaft im Kontext von EU-Blogs sprechen kann) verdient hätte. Dann verlinke ich oder ich zitiere, ich kommentiere; manchmal füge ich ein Detail hinzu. Das ist fast keine Extra-Arbeit außer halt einen Link zu setzen und einen kurzen Text zu etwas zu schreiben, das ich sowieso gerade gelesen habe. Das ist schnell getan.

Die zweite Sorte von Artikeln sind solche, die auf Recherche basieren. Man könnte sagen, dass sie das Ergebnis von aufklärerischer oder journalistischer Motivation sind, was sich sowohl an meine Leser aber auch an mich richtet: Ich versuche etwas interessantes zu finden - ein Dokument, eine Diskussion, ein Ereignis - das noch nicht so viel Aufmerksamkeit erhalten hat. Das ist Aufklärung für mich selbst, weil ich etwas über Dinge lerne, die mich vorher noch nicht beschäftigt haben, und es auch Journalismus für mich selbst, denn wäre das Thema schon woanders bearbeitet worden, bräuchte ich ja nicht danach recherchieren und darüber schreiben. Und weil ich das Ganze dann veröffentliche, hat es auch Wirkung für die Welt um mich herum. Normalerweise braucht das Zeit: So ein Artikel kann über mehrere Stunden oder Tage geschrieben sein, abhängig davon wie ich Zeit und Lust habe.

Dann sind da noch eher persönliche Kommentare, Überlegungen, Analysen. Ich schreibe sie - wie schon vor einigen Tagen gesagt - als würde ich für mich selbst schreiben, ganz für mich, wie in einem Tagebuch, selbst wenn das im Nachhinein Reaktionen hervorruft, die über diesen inneren Monolog hinausgehen. Solche Texte brauchen mehr Zeit als man ihnen das von außen ansieht. Ich hab schon mehrere solcher Artikel wieder gelöscht, weil ich sie nicht fertigstellen konnte oder weil sie zu persönlich geworden wären.

Die vierte Kategorie sind politische Beiträge. Ich bin ein politischer Mensch, und manche Sachen gehen mir einfach auf die Nerven, so dass ich mich (politisch) genötigt fühle zu kritisieren oder zumindest zu reagieren. Das ist so ähnlich wie in der ersten Kategorie, nur dass solche Text mehr aus längerfristiger innerer Überzeugung als aus spontanem Interesse erwachsen.

Ich denke mal, das sollte zu einem guten Teil erklären, warum ich relativ viel schreibe:

Es gibt verschiedene Motivationen für mein Schreinen, und was die Sache zum Strebertum oder zur Leidenschaft macht, ist, dass ich es niederschreibe, dass ich mir die Zeit dafür nehme, anstatt es für mich zu behalten.

Der wichtigste Ansporn bleibt aber, dass die meisten Dinge, über die wir in der EU-Blogosphäre schreiben, immer noch keine Öffentlichkeit gefunden haben, dass ihnen die Aufmerksamkeit der Medien, der Bürger und selbst der professionellen politischen Akteure überall auf diesem Kontinent fehlt.

Und solange ich fühle, dass es diese Lücke gibt, werde ich weiterbloggen: Bis zu dem Tag, an dem ich das Gefühl habe, dass ich (fast) alles, das mich in Europa und der Europäischen Union interessiert, aus anderen Quellen bekommen kann.

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