Freitag, 1. Mai 2009

Fünf Jahre EU-Erweiterung: Ein persönlicher Rückblick

(Original von kurz nach Mitternacht: Five years of European Union enlargement: A personal review)

Ich weiß genau, wo ich vor fünf Jahren war, um Mitternach des 1. Mai 2004, dem Moment, in dem die Europäische Union um acht mittel- und osteuropäische Staaten und zwei Länder aus dem Mittelmeer erweitert wurde.

Ich war im östlichen Zentrum von Berlin, auf einer öffentlichen Party zum Feier der Erweiterung, und kurz vor 24 Uhr zählten wir von 10 abwärts, und um Mitternacht begrüßte eine fröhliche Menge von zumeist jungen Menschen unsere neuen "Mitbewohner".

Das war ein glücklicher Moment für Europa und die Europäische Union, und ich muss zugeben, auch für mich.

Als relativ frankophiler Mensch hingen meine Augen und mein Herz eher am Westen. Aber die Erweiterung hat diesen Blickwinkel verändert, und ich habe auch eine der ersten Gelegenheiten genutzt, eine Reihe der neuen Mitgliedsstaaten zu besuchen. Und nur neun Monate nach der Erweiterung bin ich sogar in einen der neuen Mitgliedsstaaten gezogen.

Das war der Beginn meiner zweiten Europäisierung, ich der ich zu diesem Zeitpunkt schon überzeugter Europäer war. Ich habe meinen Blick neu ausgerichtet; ich lernte Europa als ein erweitertes Konzept zu verstehen, die wirkliche Bedeutung dieses offenen Raumes und der Ideale von Freiheit und Einheit wahrzunehmen. Ich begann zu verstehen, dass Europa und diese besondere Union nicht nur Ziele waren, die man erreichen wollte, sondern dass dies nur die Grundlage für die Erreichung weiterer Ziele ist.

Seit der Erweiterung habe ich Häuser/Wohnungen und (neue) Freundschaften mit Bulgaren, Deutschen, Ukrainern, Finnen, Ungarn, Spanien, Esten, Moldauern, Österreichen, Serben, Russen geteilt (Reihenfolge zufällig), ich habe gute Beziehungen zu vielen anderen europäischer Mitbürgern aufgebaut, und ich glaube ich habe es geschafft, über die letzten fünf Jahre mit wenigstens eine Person aus fast jedem Land dieses Kontinents zu sprechen.

Die Erweiterung war ein Erfolg, unabhängig von den technischen Problemen, die es gab und auch noch immer noch gibt, weil sie uns Perspektiven geöffnet hat, weil nicht nur die EU erweitert wurde, sondern auch unser Horizont.

Klar, manchmal ist es nicht leicht mit einer größeren Zahl von Menschen und Staaten umzugehen; jeder hat seine eigenen Interessen, Hoffnungen, Vision, jedes Individuum, und zu einem gewissen Grad auch jedes Land. Nur müssen wir verstehen lernen, dass diese Interessen nicht wirklich die Interessen von Ländern und Nationen sind, sondern dass sie, wenn man nur seine nationale Brille ablegt, sehr ähnliche Probleme von Individuen und Gruppen sind, die in unterschiedlichen aber doch vergleichbaren Situationen leben.

Der durchschnittliche polnische Bauer hat keiner anderen Interessen als der durchschnittliche französische Farm, und der IT-Spezialist aus Estland denkt wohl ganz ähnlich wie ein IT-Spezialist aus Irland. Die meisten Leute, die ich getroffen habe, teilen den Wunsch, mobil sein zu dürfen - ob nun für eine Kurztrip, einen Austausch, oder für den Rest des Lebens; ob für 10 Kilometer oder 2000 Meilen -, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, ihre eigenen kleinen und großen Träume wahr werden zu lassen. Das heißt, wir haben alle eine ähnliche Geschichte, egal ob die Figuren unterschiedlich aussehen oder die Regisseure einen unterschiedlichen Stil haben.

Die EU-Erweiterung erzählt uns diese Geschichte, die Geschichte dass wir in der Lage sind, den "anderen" zu integrieren, weil der "andere" eigentlich ist wie wir.

Wir verlieren uns manchmal in institutionellen Debatten, die ja auch richtig sind, weil Einheit in Vielfalt nicht immer ein natürlicher Prozess sondern das Ergebnis von gut gestalteten institutionellen Lösungen ist. Aber der innere Wert der Erweiterung(en) und die Erweiterungsperspektive sind beides Triebfedern für die, die schon im Club sind und auch die, die noch hinein möchten.

Ohne feste Erweiterungsperspektiven, vom westlichen Balkan, über die osteuropäischen Staaten bis hin zur Türkei, wenn sie irgendwann bereit dazu ist, gibt es keinen Bedarf und keinen Anstoß, unsere Ansichten zu verändern, keinen Grund zur Reform, weder in diesen Ländern noch in der Europäischen Union selbst. Wenn wir uns zufriedengeben mit dem, was wir schon erreicht haben, werden wir den Blick dafür verlieren, was wir immernoch erreichen können.

Heute feiere ich fünf Jahre EU-Erweiterung, und ich feiere es in der Hoffnung, bald wieder den Beitritt neuer Länder in die Union feiern zu können - auch, weil ich über die letzten Jahre eines auch noch verstanden habe:

Es gibt nichts besseres, als mit seinen Mit-Europäern zu feiern!

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