Montag, 8. Juni 2009

Europa hat gewählt - und dieses Blog verabschiedet sich

Aus vorbei. Heute hat es noch Nachrichtenwert, morgen wird es wieder in der Versenkung verschwinden. Das Europäische Parlament.

Kommunikationsstrategien müssten her, damit das nicht passiert, aber es wäre wohl eine Illusion zu glauben, dass dies tatsächlich passiert. Das neue Europäische Parlament wird wie das alte sein, wenn es uns nicht gelingt, es anders zu kommunizieren.

Dieses Blog war eigentlich als Idee gedacht, zur dieser Kommunikation beizutragen. Aber der Aufwand ist mir zu groß. Ich werde es deshalb einstellen.

Ich werde weiterhin mein englisches Europablog,
Julien Frisch - Watching Europe
schreiben, und ich kann allen EU- und Europainteressierten nur raten, die europäische Blogosphäre im Auge behalten.

Ich für meinen Teil werde zukünftig die deutsche Blogosphäre verstärkt in den Blick nehmen, dort kommentieren und so versuchen, die Verbindung zur europäischen Ebene zu schaffen. Das sollte effektiver sein als dieses Parallelblog zu schreiben - und ich hoffe so zu einer breiteren, europäisierten Debatte beitragen zu können.

Wenn irgendjemand deutsche Übersetzungen von Texten aus meinem englischen Blog benötigt, schreibt mich einfach an, und wenn die Zeit genügt, mache ich das gerne.

Ansonsten verabschiede ich mich und hoffe, euch andernorts wiederzusehen!

Mittwoch, 27. Mai 2009

Deutschland kritisiert GoogleBooks im EU-Ministerrat

Deutschland hat sich für den morgen und übermorgen stattfindenden EU-Ministerrat zur Wettbewerbspolitik mit einem Schreiben zu Wort gemeldet, in dem eindringlich vor GoogleBook gewarnt und verlangt wird, sich auf EU-Ebene mit diesem Thema zu beschäftigen.

Die EU Kommission soll aufgefordert werden, das Vorgehen von Google, also Bücher ohne vorherige Einwilligung der Rechteinhaber zu scannen, rechtlich zu prüfen und wenn nötig, Rechtsmaßnahmen vorzuschlagen, um das europäische Copyright "zu retten".

Dienstag, 19. Mai 2009

Europawahlen 2009: Wo sind nur die Jungwähler?

Euronews hat einen 8-minutigen Clip zur Europawahlbeteiligung von jungen Menschen, in dem auch die Eurowahlgang ihre Erwähnung findet.

Sehenswert!

Montag, 18. Mai 2009

Zitat des Tages: Bittner über Pöttering

Aus dem ZEIT-Blog von Jochen Bittner:
"Wäre die technische Wissenschaft schon so weit, dass sie für Aufgaben wie Europaparlamentsvorsitzende Protokollroboter herstellen könnte, es würde etwas sehr Pöttering-ähnliches dabei herauskommen."
Für alle die's nicht wissen: Hans-Gert Pöttering ist (noch) Präsident des Europäischen Parlaments.

Europa lohnt sich - EU-Politiker kommen in hohe nationale Ämter

(Original: Europe sells - EU politicians making a national career)

Es gibt die Tendenz, etwas despektierlich über Politiker zu reden, die nach Brüssel gehen, um EU-Parlamentarier oder EU-Kommissar(in) zu werden - als ob der Gang nach Brüssel/Strasbourg/Luxemburg das Ende der Karriere wäre.

Gestern bestätigte EU-Kommissarin Dalia Grybauskaite, die ihr Amt hatte ruhen lassen, um bei den Präsidentschaftswahlen in Litauen anzutreten, den Trend, dass der Weg auch umgekehrt sehr gut funktioniert: Sie wird tatsächlich die erste Präsidentin Litauens, nebenbei auch noch ein wichtiger Schritt dahin, mehr Frauen in Machtpositionen in Europa zu bringen.

Das ist schon der dritte mir bekannte Fall in 14 Monaten, bei denen EU-Politiker eine nationale Karriere machen: Vor kurzem der lettische MdEP Valdis Dombrovskis, der lettischer Ministerpräsident wurde und Anfang letzten Jahres schaffte es der finnische MdEP Alexander Stubb ins Amt des Außenministers seines Landes, wo er gleich den Vorsitz der OSZE übernehmen durfte. Nicht zu vergessen ist auch Toomas Hendrik Ilves, der schon Ende 2006 aus seiner Funktion als MdEP direkt ins Amt des estnischen Präsident wechselte.

Es gibt noch mehr Beispiele, wie sich in den Kommentaren zum englischen Original dieses Artikels zeigt - und wenn ihr auch noch welche habt: Immer her damit!

Donnerstag, 14. Mai 2009

Europawahlen 2009 (102): Junge Kandidaten für das Europaparlament - LYMEC

(Original: European Parliament elections 2009 (102): Youth candidates running for the European Parliament - LYMEC)

Letzte Woche habe ich mich an vier Jugendverbände von Europaparteien - YEPP (die Jugend der Europäischen Volkspartei), ECOSY (die Jugend der europäischen Sozialisten und Sozialdemokraten), LYMEC (die Europäische Liberale Jugend) und FYEG (die Europäische Grüne Jugend) - gewendet und sie nach "ihren" Kandidaten für die Europawahlen 2009 gefragt.

Hier nun die Fragen und Antworten der Organisation, die mir als erstes (und bislang einziges) geantwortet hat - LYMEC:

Julien: Wisst ihr, wer der/die jüngste Kandidat/in von LYMEC oder der Mutterpartei ELDR ist, der/die bei den Europawahlen antritt? Wenn ja, könnt ihr etwas über sie/ihn berichten? (Wenn ihr nicht wisst, wer der oder die jüngste ist, könnt ihr auch über die/den jüngste/n berichten, die/den ihr kennt.)
LYMEC:
Name: Ingrid Lundqvist
Organisation: Die Jugend der Zentrumspartei
Land: Schweden
Alter: 21
E-mail: ingrid.lundqvist [ at ] centerpartiet.se
Persönliches Blog: lundqvist-ingrid.blogspot.com (Sprache: Schwedisch)

"Ich bin auf Platz 35 der Liste der Zentrumspartei und ich bin die jüngste. Ich bin 21 Jahre alt, lebe in Stockholm und interessiere mich besonders für Handel, Umwelt, sowie die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz in Fragen der Verbrechensbekämpfung.

Ich träume von einer EU mit offenen Grenzen, in der wir zusammen für eine gesündere Umwelt arbeiten, und zwar weltweit. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass jeder Bürger der EU seine Ziele erreichen kann. Ich möchte auch, dass Unternehmen innerhalb und außerhalb der EU zu ähnlichen Bedingungen mit uns Handel treiben können.

Ich hoffe, andere - vor allem junge - Menschen zu inspirieren, sich für Politik zu interessieren."
Julien: Wer im Vorstand von LYMEC tritt bei den Europawahlen an und hat auch gute Chancen, ins Europaparlament zu kommen?
LYMEC:
Alexander Plahr, LYMEC Vizepräsident (für die FDP in Deutschland)
Sibel Redzheb, LYMEC Schatzmeisterin (für die MRF in Bulgarien)

Beide sind nicht ohne Chance gewählt zu werden, und sie arbeiten hart daran, dieses Ziel zu erreichen.
Julien: Seid ihr zufrieden mit der Zahl und den Listenplätzen von jungen liberalen Kandidat/inn/en auf den Wahllisten der liberalen Parteien in den Mitgliedsstaaten?
LYMEC: Wir können sehr zufrieden sein, viele unserer Parteien haben junge Kandidaten aufgestellt und einige sind auch auf Plätzen, auf denen sie eine realistische Chance haben, gewählt zu werden.
Die Antworten schrieb mir Srd Kisevic, Generalsekretär von LYMEC.

Dienstag, 12. Mai 2009

ARD und ZDF mit speziellen Angeboten zur Europawahl 2009

Na endlich: So langsam beginnt die ausführliche mediale Begleitung der Europawahlen.

Die ZDF Mediathek hat für die Europawahlen eine eigene Rubrik eingerichtet, auf der zum jetzigen Zeitpunkt bereits 21 Beiträge

Und auch die ARD hat einen eigenen tag zur Euroawahl, unter dem man unter anderem fast eine Stunde EU-Politik mit Merkel, Müntefering, Gysi, Kühnast, Guttenberg, Koch-Mehrin, Schulz, Ferrero-Waldner im WDR Europaforum vom 9. Mai finden kann.

Auf meinem englischen Blog ist unterdessen der 100. Artikel in der Rubrik "European Parliament elections 2009" erschienen.

Für alle, dies Englischen mächtig sind, und die nachverfolgen möchten, wie sich die Eurowahlkampagne von letzem Juli bis jetzt entwickelt hat, ist das die richtige Anlaufstelle, insbesondere weil ich nicht die Zeit habe, jeden Artikel von dort ins Deutsche zu übersetzen.

Freitag, 8. Mai 2009

Europawahlen 2009: 17. Mai Antragsfrist für EU-Bürger in Deutschland und Deutsche im Ausland

Bitte weitersagen:

EU-Bürger, die bei der Europawahl in Deutschland wählen wollen, und im Ausland lebende Deutsche, die bei der Europawahl ihre Stimme in Deutschland abgeben möchten, müssen bis zum 17. Mai 2009 bei ihrer Gemeindebehörde einen Antrag auf Aufnahme ins Wahlregister stellen:
Europawahl 2009: Am 17. Mai endet Antragsfrist für Deutsche im Ausland und EU-Bürger

WIESBADEN – Der Bundeswahlleiter weist darauf hin, dass der 17. Mai 2009 unter drei Gesichtspunkten ein wichtiger Stichtag bei der Vorbereitung der Europawahl 2009 ist.

Bis zu diesem Tag können Deutsche im Ausland und Unionsbürgerinnen und -bürger in Deutschland, die hier wählen wollen, ihre Eintragung in das Wählerverzeichnis beantragen. Ferner erhalten bis zum 17. Mai 2009 alle Wahlberechtigten für die Europawahl ihre Wahlbenachrichtigung, auf der auch das Wahllokal angegeben ist, in dem sie am 7. Juni 2009 ihre Stimme abgeben können.

Wer bei der Europawahl 2009 in Deutschland wählen will, muss grundsätzlich im Wählerverzeichnis eingetragen sein. Im Wählerverzeichnis sind alle Wahlberechtigten eines Wahlbezirks zusammengefasst. Alle Wahlberechtigten, die am 3. Mai 2009 – dem 35. Tag vor der Wahl – bei der Meldebehörde der Gemeinde mit Hauptwohnung gemeldet waren, werden in das Wählerverzeichnis von Amts wegen eingetragen und erhalten eine Wahlbenachrichtigung.

Deutsche, die im Ausland leben und in Deutschland wählen wollen, müssen so schnell wie möglich einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis der Gemeinde stellen, in der sie vor ihrem Fortzug aus Deutschland zuletzt gemeldet waren. Der Antrag muss bis zum 17. Mai 2009 bei der Gemeinde eingehen. Auch Deutsche im Ausland, die bereits bei der letzten Europawahl 2004 auf Antrag in das Wählerverzeichnis eingetragen waren, müssen zur Europawahl 2009 erneut einen Antrag auf Eintragung stellen. Nähere Informationen und das Antragsformular erhalten Deutsche im Ausland bei allen Botschaften und Konsulaten der Bundesrepublik Deutschland oder im Internetangebot des Bundeswahlleiters.

In Deutschland lebende Bürgerinnen und Bürger anderer EU-Mitgliedstaaten, die bei der Europawahl 2009 die deutschen Abgeordneten wählen wollen, müssen ebenfalls in ein deutsches Wählerverzeichnis eingetragen werden. Hierzu müssen sie bei der Gemeindebehörde ihres deutschen Wohnorts einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen, der dort bis zum 17. Mai 2009 eingehen muss. Eine Ausnahme gilt für Unionsbürger, die bereits bei der Europawahl 2004 in das Wählerverzeichnis eingetragen waren und seitdem nicht auf Antrag oder wegen Fortzugs in das Ausland aus dem Wählerverzeichnis gestrichen wurden: Sie werden von Amts wegen in das Wählerverzeichnis eingetragen. Nähere Informationen und das Antragsformular erhalten Unionsbürgerinnen und -bürger in Deutschland bei der Gemeindebehörde ihres Wohnorts oder im Internetangebot des Bundeswahlleiters.

Vom 18. bis einschließlich 22. Mai 2009 halten die Gemeindebehörden ihre Wählerverzeichnisse während der allgemeinen Öffnungszeiten für Wahlberechtigte zur Einsichtnahme bereit. Bürgerinnen und Bürger, die bis zum 17. Mai 2009 keine Wahlbenachrichtigung erhalten haben, aber der Meinung sind, dennoch wahlberechtigt zu sein, sollten sich unverzüglich mit dem Wahlamt am Ort ihrer Hauptwohnung in Verbindung setzen, damit eine Nachprüfung erfolgen kann.
Quelle: Pressemitteilung des Bundeswahlleiters vom 05. Mai 2009

Donnerstag, 7. Mai 2009

Umstrukturierung des Generalsekretariats des Europäischen Parlaments

(Original: Restructuring of the European Parliament secretariat)

Klaus Welle, der neue Generalsekretär des Europaparlaments, hat angekündigt, das Sekretariat des Europäischen Parlaments umzustrukturieren und auch ein gesondertes Augenmerk auf Fragen der Informationstechnologie zu lenken:
"Es fand ein Meinungsaustausch mit Herrn WELLE, dem neuen Generalsekretär des EP statt [...] sein erstes Erscheinen im Haushaltsausschuss seit seiner Ernennung am 15. März 2009. Der neue Generalsekretär unterstich die Hauptpunkte seiner Umstrukturierung des Generalsekretariats. Die Hauptveränderung beträfe die Personalabteilung, die in drei Referate unterteilt würde. Er betonte die Notwendigkeit besserer Mitarbeiter-Statuten sowie einer Modernisierung der Laufbahnen, der Mobilität und der Einstellungsverfahren.

Herr WELLE betonte die gestiegene Bedeutung der Infrastruktur und schlussfolgerte, dass es eines neuen Referats bedürfe. Dieses neue Referat würde zusätzliche Aufgaben wie die Instandhaltung der Gebäude aufgetragen bekommen. Der Einsturz der Decke in Strasbourg hatte deutliche gemacht, dass besonders geschultes und bislang noch nicht im EP vorhandes Personal für die Instandhaltung benötigt würde.

Informationstechnologien waren ein weiteres zentrales Element von Herrn WELLEs Arbeitsprogramm als Generalsekretär. Nach seinem Empfinden war diesem zentralen Bestandteil der Steuerung [Original: 'Governance'] über die letzen 10 Jahre kaum Beachtung auf genügend hoher Ebene geschenkt worden.
"
(Quelle: Bericht des Ratssekretariats für die Mitgliedsstaaten über die Sitzung des Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments in Brüssel am 27. April 2009)

Mittwoch, 6. Mai 2009

Gast-Blogger auf "TH!NK ABOUT IT"

Diese Woche schreibe ich als Gast-Blogger auf der europäischen Plattform "TH!NK ABOUT IT", auf der in einem Blog-Wettbewerb je 3 Blogger aus allen 27 Mitgliedsstaaten über Europa, die Europawahlen, und die Situation in ihren Ländern in diesem Kontext berichten.

Wer des Englischen mächtig ist, findet meine Beiträge, die auch schon fröhlich diskutiert wurden, hier.

Dienstag, 5. Mai 2009

Hans-Gert Pöttering über Europa und seine Zeit als EU-Parlamentspräsident

Etwas trocken, etwas lang (fast 20 Minuten), aber immerhin ausführlich redet EVP-Politiker und scheidender EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering über die Erfolge und Misserfolge der Europäischen Union während seiner Amtszeit und gibt einen Ausblick auf die kommenden Europawahlen:

Sonntag, 3. Mai 2009

Ehrendoktor Barroso: Wie würdelos!

Juchhu, es ist Wahlkampf und keiner geht hin.

Dafür geht der, um den es keinen Wahlkampf gibt, nach Chemnitz. Und holt sich eine Ehrendoktorwürde ab.

Na toll Herr Barroso, und ganz toll Uni Chemnitz, für diesen herausragenden Schritt, die personifizierte Langeweile und Verkörperung der Probleme der EU zum Ehrendoktor zu machen!

Vielleicht kann man statt der Büste von Karl Marx jetzt einfach Barrosos Kopf irgendwo in die Stadt legen und sie dann in San José umbennen. Gibt's in Deutschland noch nicht.

Ansonsten: Kann mich jemand aufwecken, wenn diese Europawahlen vorbei sind - so langsam gehe ich ein...

(via Europaeum)

Samstag, 2. Mai 2009

Blick über den Tellerrand: Das Europamagazin der ARD und Zoom Europa auf ARTE

Wenn man wie ich aus einer europapolitischen Perspektive auf Europa schaut, und zwar nicht nur auf EU-Institutionen sondern auch über den eigenen Tellerrand, in andere Gegenden und Länder Europas, dann hat man im deutschen Fernsehen nicht so viele klare Anlaufstellen.

Gut gemacht und interessanter als vieles andere sind das Europamagazin der ARD, dessen einzelne Beiträge auch online in der Mediathek angeschaut werden können, und Zoom Europa, das auf ARTE +7 eine Woche nach Ausstrahlung angeschaut werden kann (hier die Sendung dieser Woche).

Die europäische Tagespolitik ist ja von einigen Gipfeltreffen, Krisenerklärungen und wenigen gepushten Direktiven kaum wahrnehmbar, so dass es nur gut und richtig ist, wenn sich zumindest einige Sendungen unserer europäischen Wirklichkeit annehmen.

Was mir aber tatsächlich fehlt im deutschen Fernsehen ist eine echte europapolitische Sendung, eine, die ein Breite von Themen so abdeckt, dass nachvollziehbar wird, wie lokale, nationale und europäische Einflüsse zusammenspielen und so unsere Realität bestimmen. Eine, in der sichtbar ist, dass "Europa" unsere Leben genauso beeinflusst wie es "Deutschland", oder "Hamburg/Berlin/Klein Dorfleben" tun.

Aber oft bleibt dafür nur eine Erwähnung am Rande oder ein eher zufälliger Beitrag, weil's gerade ins Konzept passt. Nur ist Europa halt schon viel weiter.

Wenn's nur unsere Medien auch wären...

Freitag, 1. Mai 2009

europa-transparent über die Debatte um die Arbeit von Europaparlamentariern

Auf europa-transparent gibt es einen langen Artikel über die Debatte der letzten Tage, wie denn nun die Arbeitsleistung von Europa-Abgeordneten zu messen sei.

Hintergrund ist die zwischenzeitliche Schließung der Seite Parlorama in der quantitativ gemessen werden sollte, wie aktiv die EU-Parlamentarier in der letzten Legislaturperiode waren. Die Seite wurde nach einer großen Zahl zunächst geschlossen, soll aber demnächst wieder reaktiviert werden.

Fünf Jahre EU-Erweiterung: Ein persönlicher Rückblick

(Original von kurz nach Mitternacht: Five years of European Union enlargement: A personal review)

Ich weiß genau, wo ich vor fünf Jahren war, um Mitternach des 1. Mai 2004, dem Moment, in dem die Europäische Union um acht mittel- und osteuropäische Staaten und zwei Länder aus dem Mittelmeer erweitert wurde.

Ich war im östlichen Zentrum von Berlin, auf einer öffentlichen Party zum Feier der Erweiterung, und kurz vor 24 Uhr zählten wir von 10 abwärts, und um Mitternacht begrüßte eine fröhliche Menge von zumeist jungen Menschen unsere neuen "Mitbewohner".

Das war ein glücklicher Moment für Europa und die Europäische Union, und ich muss zugeben, auch für mich.

Als relativ frankophiler Mensch hingen meine Augen und mein Herz eher am Westen. Aber die Erweiterung hat diesen Blickwinkel verändert, und ich habe auch eine der ersten Gelegenheiten genutzt, eine Reihe der neuen Mitgliedsstaaten zu besuchen. Und nur neun Monate nach der Erweiterung bin ich sogar in einen der neuen Mitgliedsstaaten gezogen.

Das war der Beginn meiner zweiten Europäisierung, ich der ich zu diesem Zeitpunkt schon überzeugter Europäer war. Ich habe meinen Blick neu ausgerichtet; ich lernte Europa als ein erweitertes Konzept zu verstehen, die wirkliche Bedeutung dieses offenen Raumes und der Ideale von Freiheit und Einheit wahrzunehmen. Ich begann zu verstehen, dass Europa und diese besondere Union nicht nur Ziele waren, die man erreichen wollte, sondern dass dies nur die Grundlage für die Erreichung weiterer Ziele ist.

Seit der Erweiterung habe ich Häuser/Wohnungen und (neue) Freundschaften mit Bulgaren, Deutschen, Ukrainern, Finnen, Ungarn, Spanien, Esten, Moldauern, Österreichen, Serben, Russen geteilt (Reihenfolge zufällig), ich habe gute Beziehungen zu vielen anderen europäischer Mitbürgern aufgebaut, und ich glaube ich habe es geschafft, über die letzten fünf Jahre mit wenigstens eine Person aus fast jedem Land dieses Kontinents zu sprechen.

Die Erweiterung war ein Erfolg, unabhängig von den technischen Problemen, die es gab und auch noch immer noch gibt, weil sie uns Perspektiven geöffnet hat, weil nicht nur die EU erweitert wurde, sondern auch unser Horizont.

Klar, manchmal ist es nicht leicht mit einer größeren Zahl von Menschen und Staaten umzugehen; jeder hat seine eigenen Interessen, Hoffnungen, Vision, jedes Individuum, und zu einem gewissen Grad auch jedes Land. Nur müssen wir verstehen lernen, dass diese Interessen nicht wirklich die Interessen von Ländern und Nationen sind, sondern dass sie, wenn man nur seine nationale Brille ablegt, sehr ähnliche Probleme von Individuen und Gruppen sind, die in unterschiedlichen aber doch vergleichbaren Situationen leben.

Der durchschnittliche polnische Bauer hat keiner anderen Interessen als der durchschnittliche französische Farm, und der IT-Spezialist aus Estland denkt wohl ganz ähnlich wie ein IT-Spezialist aus Irland. Die meisten Leute, die ich getroffen habe, teilen den Wunsch, mobil sein zu dürfen - ob nun für eine Kurztrip, einen Austausch, oder für den Rest des Lebens; ob für 10 Kilometer oder 2000 Meilen -, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, ihre eigenen kleinen und großen Träume wahr werden zu lassen. Das heißt, wir haben alle eine ähnliche Geschichte, egal ob die Figuren unterschiedlich aussehen oder die Regisseure einen unterschiedlichen Stil haben.

Die EU-Erweiterung erzählt uns diese Geschichte, die Geschichte dass wir in der Lage sind, den "anderen" zu integrieren, weil der "andere" eigentlich ist wie wir.

Wir verlieren uns manchmal in institutionellen Debatten, die ja auch richtig sind, weil Einheit in Vielfalt nicht immer ein natürlicher Prozess sondern das Ergebnis von gut gestalteten institutionellen Lösungen ist. Aber der innere Wert der Erweiterung(en) und die Erweiterungsperspektive sind beides Triebfedern für die, die schon im Club sind und auch die, die noch hinein möchten.

Ohne feste Erweiterungsperspektiven, vom westlichen Balkan, über die osteuropäischen Staaten bis hin zur Türkei, wenn sie irgendwann bereit dazu ist, gibt es keinen Bedarf und keinen Anstoß, unsere Ansichten zu verändern, keinen Grund zur Reform, weder in diesen Ländern noch in der Europäischen Union selbst. Wenn wir uns zufriedengeben mit dem, was wir schon erreicht haben, werden wir den Blick dafür verlieren, was wir immernoch erreichen können.

Heute feiere ich fünf Jahre EU-Erweiterung, und ich feiere es in der Hoffnung, bald wieder den Beitritt neuer Länder in die Union feiern zu können - auch, weil ich über die letzten Jahre eines auch noch verstanden habe:

Es gibt nichts besseres, als mit seinen Mit-Europäern zu feiern!

Mittwoch, 29. April 2009

Europawahlen 2009 (92): Wie die EVP in Warschau Europa gewinnen wird (nur mich nicht)

(Original: European Parliament elections 2009 (92): How the EPP is going to win Europe (but not me))

Heute und morgen trifft sich die Europäische Volkspartei (EVP), also die europäischen Konservativen, Christdemokraten und Mitte-Rechts Parteien, zu ihrem Kongress in Warschau, um endlich ihr Wahlprogramm zu verabschieden und ihre Wahlkampagne zu starten.

Get the Flash Player to see this player.


Die EVP hinkt damit weit hinter allen anderen großen europäischen Parteien hinterher, sowohl was das Wahlprogramm als auch was die Wahlkampagne angeht. Aber in Warschau werden sich all die großen Führungspersönlichkeiten der EVP treffen - das Programm liest sich wie ein Who-is-Who der europäischen Mächtigen und Machtmissbrauchenden - und alles in die Gänge leiten.

Sie werden ihre vergangenen Siege feiern und Europa versichern, dass sie erneut als Sieger vom Platz gehen werden.

Sie werden ihren Wahlprogrammentwurf ohne größere Veränderungen verabschieden; jede Änderung wäre ja ein demokratischer Schritt, der womöglich die Wahlkampagne gefährden könnten.

Sie werden die Langweiligkeit und Schwäche von Barroso, die emotionslose Effizienz von Angela Merkel, die Eskapaden von Berlusconi und Sarkozy genauso glorifizieren wie den grummeligen Hans-Gert Pöttering, seines Zeichens EU-Parlamentspräsident, und (wenn's gut läuft) all das mit so grandiosen Europäern wie Jean-Claude Juncker übertünchen.

Wie siegessicher die EVP ist, die europaweiten Umfragen sprechen ja für sie, kann man in diesem selbstbeweihräuchernden Video sehen, das auch noch all jene Elemente vermissen lässt, die ein solches Video für die Youtube-Zielgruppe interessant machen würde (im Moment des Schreibens haben nur knapp über 72 Menschen dieses Video auf Youtube angeschaut...):



Also vielleicht bin ich ja zu europtimistisch, zu überzeugt, dass europäische Politik auch von einer echten europäischen Vision geleitet sein sollte, um die positiven Impulse zu entdecken, die von der EVP ausgehen.

Bislang habe ich aber noch nichts und (fast) niemanden von der EVP kommen sehen, das mich überzeugen würde, dass diese Partei und ihre Leute das Richtige für Europa und die Europäische Union wären!

(Mal sehen, wie der Kongress läuft; neben dem Livestream der EPP will auch New Europe versuchen, von dort zu berichten.)

Französische Finanzministerin lobt europäische Zusammenarbeit in amerikanischer Comedy-Show

(Original: French finance minister praises EU co-operation in Jon Stewart's Daily Show )

Während die eine französische Ministerin die Europawahlen verunglimpft, schafft es die andere, Christine Lagarde, die Europäische Union in den US-amerikanischen Comedy-Nachrichten "The Daily Show with Jon Stewart" absolut glaubwürdig und in bestem Englisch zu loben und zu verteidigen:

The Daily Show With Jon StewartM - Th 11p / 10c
Christine Lagarde
thedailyshow.com
Daily Show
Full Episodes
Economic CrisisPolitical Humor


Das nenne ich eine vorbildliche Botschafterin für die Europäische Union und die europäische Zusammenarbeit, da können sich andere in ihrer Partei - auch der gute Präsident Sarkozy - gerne eine Scheibe von abschneiden!

Europawahlen 2009 (91): Wie eine französische Ministerin die Wahlen verunglimpft

(Original: European Parliament elections 2009 (91): French minister and EP candidate ridicules the European elections)

Während einer Veranstaltung der UMP-Jugendorganisation (die UMP ist Nicolas Sarkozys Partei) hat die französische Justizministerin und Nummer Zwei der UMP-Liste für die Europawahlen, Rachida Dati, die Wahlkampagne verunglimpft und sich damit selbst diskreditiert:



Auf Taurillon gibt es dazu einen hervorragenden Artikel mit dem Titel "Rote Karte für Rachida Dati und ihre arge Europa-Inkompetenz". In dem Artikel erklärt Laurent diesen unglaublichen Aussetzer mit der Tatsache, dass Dati diese Kampagne eher als Herabsetzung begreift, nicht als politische Chance.

Politisch in Ungnade gefallen, wurde sie für die Europaliste nominiert, um danach von ihrem Posten als Justizministerin zu verschwinden, und nicht weil sie sich als überzeugte Europäerin hervorgetan hatte. Man könnte also sagen, dass sie frustriert sein dürfte.

Aber trotzdem: In eine solche Veranstaltung völlig unvorbereitet zu kommen, wie ein kleines Kind kichern, und sich wie ein absoluter Neuling und nicht wie ein Profi zu präsentieren, ruiniert nicht nur ihre Reputation, sondern zerstört auch eine Menge Glaubwürdigkeit dieser Europawahlen, die auch sonst schon nicht über Herablassung klagen können.

Und auch wenn ich es zu schätzen weiß, dass die Wahlkampagne in Frankreich viel lebendiger und aktiver ist als in vielen anderen EU-Staaten, so ist es doch untragbar, abgehalfterte Politiker für einen Job zu nominieren, der eigentlich Offenheit für Neues verlangt.

Vielen Dank dafür, Herr Sarkozy!

Dienstag, 28. April 2009

Die Parlamentarische Versammlung debattiert über den nächsten Generalsekretär des Europarates

(Original: Parliamentary Assembly debates next Secretary General of the Council of Europe and celebrates the CoE's 60th anniversary)

Nein, der Europarat ist nicht der Rat der Europäischen Union, er ist eine unabhängige Internationale Organisation mit 47 Mitgliedsstaaten des gesamten Kontinents.

Der Europarat ist eine Europäische Union light, er ist wie der intelligente ältere Bruder von dem alle dachten, dass er mal der Stolz der Familie werden würde, nur dass der jüngere Bruder Wirtschaft studierte, reich wurde (mit Kohle und Stahl), und so für alle in der Familie Geschenke kaufen und zum Lieblingsjungen werden sollte. Der ältere Bruder studierte Philosophie, kam herum, hatte immer mehr echte Freunde, schrieb die besseren Bücher, hatte die besseren Antworten parat und war bei seinen Kollegen und allen die ihn kannten respektiert - nur hatte er halt nie genug Geld und Aufmerksamkeit, um sich beliebt zu machen.

Dieser ältere Bruder, der Europarat, feiert dieses Jahr seinen 60. Geburtstag.

In dieser Woche trifft sich die Parlamentarische Versammlung des Europarates - die der Beratenden Versammlung, dem Vorgänger des Europaparlaments, sehr ähnlich ist - zu ihrer zweiten von vier jährlichen Sitzungen. Parlamentarier aus den 47 Mitgliedsstaaten diskutieren in Strasbourg Fragen von allgemeiner Wichtigkeit und Dringlichkeit.

Natürlich spielt auch der Geburtstag des Europarates eine besondere Rolle während dieser Sitzungswoche. In seiner Geburtstagsrede im Anschluss an diesen kleinen Film, fasste Lluís Maria de Puig, der Präsident der Parlamentarischen Versammlung die Arbeit des Europarates wie folg zusammen:
"Der Europarat ist vor allem eine moralische Größe. Diese Größe wird auf unterschiedlichste Weise, aber mit dem gleichen Ziel, zum Ausdruck gebracht, durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der dieses Jahr seinen 50. Geburtstag feiert, durch das Ministerkomitee, welches die Regierungen vertritt, durch die Institution des Menschenrechtskommissars, durch die Venedigkommission und durch das Europäische Jugendzentrum, um nur ein paar zu nennen, und natürlich auch durch diese Versammlung, die über die gewählten Vertreter die Stimme von 800 Millionen Europäern nach außen trägt."
Die wichtigen Themen dieser Sitzungswoche werden die drei Dringlichkeitsdebatten sein:
  • zur Situation in der Republik Moldau;
  • zur Nicht-Ratifikation des 14. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention; und
  • zur Wahl des nächsten Generalsekretärs des Europarates.
Die regelmäßigen Leser meines englischen Blogs werden wissen, warum das erste Thema wichtig ist (zum Nachlesen hier und hier).

Das zweite Thema ist schon ein alter Bekannter für Europaratkenner, seit bestimmt vier Jahren: 46 von 47 Mitgliedsstaaten des Europarates (die damit alle auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) inklusive einiger Zusatzprotokolle ratifiziert haben), haben das 14. Zusatzprotokoll zur EMRK unterzeichnet und ratifiziert, und das schon seit Jahren. Nur Russland, obwohl es das Protokoll unterzeichnet hat, weigert sich, es zu ratifizieren. Diese Protokoll soll nämlich die Arbeitsweise des Menschenrechtsgerichtshofs, der über die EMRK wacht, reformieren und vereinfachen, weil der Europäische Menschenrechtsgerichtshof mit Fällen überlastet ist und schneller arbeiten können muss, um seiner Aufgabe noch gerecht werden zu können. Aber da Russland natürlich nicht davon profitieren würde, wenn mehr Fälle (auch gegen Russland) abgeschlossen würden, blockiert es die Reform, die nur in Kraft treten kann, wenn alle 47 Staaten das Protokoll ratifiziert haben.

Das dritte Thema werden die meisten von euch vermutlich noch nicht auf dem Schirm haben. Der Europarat bekommt dieses Jahr einen neuen Generalsekretär. Der amtierende, Terry Davis, darf nicht noch einmal antreten, und so wurden die Mitgliedsstaaten aufgerufen, Kandidatenvorschläge für einen Nachfolger einzureichen.

Verschiedenen Quellen zufolge (z.B. die hier und die hier), gab es vier Kandidaten (die Frist hierfür war bereits im März abgelaufen), von denen, nach einer internen Abstimmung auf diplomatischer Ebene vergangene Woche (die unbestätigten Resultate sind hier veröffentlicht) nur die ersten zwei der unten stehenden Namen der Parlamentarischen Versammlung bei ihrer nächsten Sitzung im Juni vorgelegt werden.

Die Kandidaten sind (bzw. waren):
Der endgültigen Tagesordnung zufolge, wird die Debatte über den nächsten Generalsekretär am Mittwoch ab 15 Uhr stattfinden; die Diskussion zur Republik Moldau folgt dann im Anschluss. Das 14. Zusatzprotokoll steht am Donnerstag auf der Tagesordnung.

Da die gesamten Sitzunge via Livestream gezeigt werden, kann man sich das durchaus anschauen.

Es scheint also eine interessante Geburtstagswoche zu werden, und hinzu kommen noch Reden von Tarja Halonen, der finnischen Präsidentin und des spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero.

Zum Abschluss bleibt eigentlich nur eine Bitte: Ich weiß, dass der Europarat von den meisten ignoriert und von einigen gering geschätzt wird, aber die Themen, die er bearbeitet und die Breite der Länder, die er abdeckt, machen ihn zu einer der drei großen europäischen Organisationen, neben der EU und der OSCE. Ich kann nur empfehlen mitzuverfolgen, was in seinen unterschiedlichen Organen und Institutionen passiert, denn auch wenn die politische Wirkung nicht immer sichtbar sein mag, so spielt der Europarat doch in vielen Fällen, nicht zuletzt in Osteuropa und in Verbindung mit Gerichtsurteilen des Menschenrechtsgerichtshofs, eine zentrale Rolle für die Sicherung der europäischen Werte, insbesondere für den Schutz der Menschenrechte!

Ich wünsche dir daher alles Gute zum Geburtstag, Bruder Europarat, und wünsche viel Glück und gutes Gelingen für die Zukunft!

(Anmerkung: Das englische Original dieses Beitrags war der 500. Artikel von "Watching Europe". Da war es nur konsequent, ihn einer pan-europäischen Organisation zu widemen, die älter ist als die Europäische Union, die - was viele nicht wissen - die Mutter der Europäischen Flagge und der Europahymne ist, die in fast alle Bereiche des europäischen Kontinents reicht, und die sich den Werten verschrieben hat, die auch Antrieb für meine persönliche, politische und berufliche Arbeit sind: Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit!)

Montag, 27. April 2009

Eurowahlgang-Video "Warum ich am 7. Juni wähle"

Als Ergänzung zum letzen Artikel, hier noch ein kurzes Video mit "Eurowahlgangstern", die mitteilen, warum sie am 7. Juni bei den Europawahlen wählen gehen:

Die "Eurowahlgang" der Politikfabrik für die Europawahlen 2009: Gelungene Kick-Off Veranstaltung

(Das ist eine tolle Gelegenheit, den ersten deutschen Beitrag in diesem Blog zu schreiben. Eine Übersetzung für die englische Version des Blogs gibt es dann später.)



Sonntagabend war ich auf der Kick-Off Veranstaltung der Eurowahlgang, einer ehrenamtlich Initiative der studentischen Politikfabrik, im Europahaus in Berlin.

Die Eurowahlgang hat sich zum Ziel gesetzt, junge Menschen in ganz Deutschland für die Europawahlen zu interessieren und zu begeistern, insbesondere mit Diskussionsveranstaltungen in 80 deutschen Städten (für die 80 junge "Wahlgangster" als Botschafter rekrutiert und geschult wurden), aber auch mit Print-, Audio-, und Videomaterialien, die in ganz Deutschland verteilt und gezeigt werden sollen.

Die Veranstaltung zum Start der Aktionen heute Abend war ein voller Erfolg, ohne Abstriche!

Geladen waren Vertreter der fünf deutschen im Europäischen Parlament vertretenen Parteien.


Von links:
Die Stimmung war hervorragend, und die Mischung von jungen Leuten, über 200 waren es bestimmt, exzellent.

Man kann ja über Europawahlen, Politik und junge Menschen eine Menge dummes und intelligentes Zeug erzählen, aber in dem Raum da habe ich nichts von Desinteresse, fehlender Begeisterung, Politikverdrossenheit gespürt.

Wenn Leidenschaft für europäische Politik und Bereitschaft zum Engagement für eine gemeinsame Sache über 200 junge Leute zusammenbringt, dann bleibt wenig übrig von solchem negativen Gerede. Und da können auch die Euroskeptiker landauf- und landabwärts um sich schlagen was das Zeug hält, so viel positive Atmosphäre können sie ihren Lebtag nicht erzeugen!

Auch die Kandidaten (sowie der Moderator) schienen sich in einem Raum europa- und politikbegeisterter junger Menschen wohlzufühlen. Die Diskussion war offen, direkt und vor allem europäisch, und auch wenn manchmal noch der typische Politiker-Sprech durchbrechen musste, schienen sich die fünf MEPs doch ganz gut an das Publikum anpassen zu können.

Einzig Pöttering machte mehrfach keine gute Figur, grummelt Rebecca Harms an, erzählte ausschweifende Geschichten, die seine politischen Überzeugungen belegen sollten (aber einfach nur langweilig waren), und fuhr auch einem der Fragenden über den Mund. Wenn ich einen nach heute Abend nicht wählen würde, dann Pöttering.

Ich könnte eine Menge über die Veranstaltung schreiben, aber weil das deutlich zu lang würde, hier einfach mal eine Liste der Fragen bzw. Themen, die die jungen Zuschauer im Saal interessierten, und zu denen sie Antworten und Kommentare von den Kandidaten wollten:
  • geringe Wahlbeteiligung als Ergebnis von fehlender Information oder fehlender Identifikation?
  • Militarisierung der EU?
  • Initiativrecht für das Europaparlament?
  • Bedeutung des Bundestages im Verhältnis zum EP?
  • Unterschiedliche Wertigkeit der Wählerstimmen in verschiedenen Mitgliedsstaaten
  • Europa ohne Nationen - Europa der Regionen?
  • Rolle der Religion in Europa?
  • warum nicht weniger Streit zwischen Politikern?
  • Aufnahme der Türkei in die EU?
  • Abbau von Agrarsubventionen?
  • Meinung zu Lissabon-Vertrag?
  • Volksentscheide für Vertragsänderungen?
  • Länge der Wahlzettel (weil ziemlich lang in einigen Bundesländern)
  • wie Wohlstand in Europa sichern?
  • Berücksichtigung der Meinung von Jugendorganisationen bei europäischer Politik?
Die fünf auf dem Podium pickten sich wegen der großen Zahl der Fragen die heraus, die ihnen am besten gefielen, und so fielen auch die Antworten meist relativ befriedigend aus, was der Saal mit häufigem aber ehrlichem Applaus wohlmeinend annahm, unabhängig von wem die Antwort kam.

Eine Sache, die "fraktionsübergreifend" hervorgehoben wurde, ist die besondere Rolle des einzelnen Abgeordneten im Europäischen Parlament:

Anders als in nationalen Parlamenten mit ihren Fraktionszwängen und Regierungsmehrheiten, besitzt der Europaabgeordnete, so die einhellige Meinung, viel Mehr Freiheiten bei der Mehrheitsbeschaffung, auch über Fraktionsgrenzen hinweg, und auch was das persönliche Abstimmungsverhalten angeht. Politisch scheint das sehr angenehm zu sein, und es hatte auch nicht den Anschein, als wenn auch nur eine/r der fünfen auf dem Podium seinen Job in Strasbourg/Brüssel gegen einen Sitz im Bundes- oder in einem deutschen Landtag tauschen würde.

Insgesamt ein echt gelungener Abend, hat mir großen Spaß gemacht, und ich kann nur hoffen, dass die 80 Wahlgangster diese Begeisterung mit "in die Provinz" nehmen und dort noch viel mehr junge Menschen für Europa und die Europawahlen begeistern können!

Merci an die Wahlgang und die ganze Politikfabrik!

(Anmerkung: Der Autor dieses Blogs ist nicht Teil der Wahlgang-Initiative, sondern schreibt seit letzem Juli auf seinem englischen Europa-Blog über verschiedene Aktivitäten im Vorlauf der Europawahlen 2009.)

Nachtrag: Natürlich kann man alles auch negativ sehen und klein machen wie auf sueddeutsche.de - aber mehr Europa schafft man nicht durch trockenen deutschen Journalismus, der eine solche Aktion nicht einmal in einen europäischen Kontext zu setzen vermag!

Gratulation, Herr Reese, für fehlende Begeisterung verpackt in sachlichen Journalismus!

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PS.: Ich hatte in einem früheren Beitrag festgestellt, dass das Informationsbüro des Europaparlaments noch nicht wirklich von der Europawahl dominiert wird.

Die Vertreterin der Kommission (die demnächst nach Brüssel zurückkehrt und durch Matthias Petschke ersetzt wird, hat allerdings heute angemerkt, dass bereits seit Oktober die gesamten finanziellen und personellen Ressourcen der Kommissionsvertretung dem EP-Büro für die Europawahlen zur Verfügung gestellt worden seien. Das mir nichts aufgefallen ist heißt also nicht, dass nichts passiert.

Außerdem habe ich das Europahaus jetzt mal aus der Ferne gesehen, und zumindest da kann man es nicht übersehen, dass - und wann - die Europawahlen kommen.

Sonntag, 26. April 2009

10 Jahre Bologna-Prozess: Bericht eines Scheiterns

(Original: 10 years of the Bologna Process: A more or less great failure)

Kommende Woche, am Dienstag und Mittwoch, treffen sich die Bildungsminister von 46 europäischen Staaten, EU-Kommissar Jan Figel, und weitere Vertreter internationaler und europäischer Organisationen, z.B. der Europarat, die UNESCO, die Europäische Studierendenunion (ESU), in Leuven (Belgien) um 10 Jahre Bologna-Prozess zu feiern.

Dieser Prozess war damals gestartet worden, um das Studieren in Europa vergleichbarer, verlässlicher, transparenter zu machen. Für manche wurde er als Möglichkeit gesehen, die Zeit des Studiums so zu reduzieren, das junge Menschen schneller auf den Arbeitsmarkt kämen. Und das wichtigste Ziel war, die Mobilität von Studierenden zu erhöhen, während des Studiums und zwischen den drei neu eingeführten Zyklen (Bachelor, Master, Doktorstudium).

Im Prinzip sind all diese Ziele unterstützenswert, und so hätte der Prozess die Situation von Studierenden und Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern in ganz Europa verbessern können.

Aber abgesehen von einigen oberflächlichen Veränderungen ist der Prozess gescheitert.

Die Mitgliedsstaaten haben ihn nicht ernst genug genommen. Universitätsleitungen haben ihn benutzt, um Strukturen einzuführen, die mehr ihren organisatorischen Interessen dienen als dem Wohl von mobilen Studierenden. Die Koordinierung war armselig, und so ist Studieren in Europa heute nicht vergleichbarer als noch vor 10 Jahren.

Die Europäische Studierendenunion (ESU; früher ESIB), vermutlich einer der kompetentesten Akteure in diesem Kontext, hat das in ihrer Pressemitteilung zur 2009-er Ausgabe ihres Berichts "Bologna aus studentischer Sicht" mehr als deutlich gemacht:
"Zwar wurden Fortschritte bei der Einführung 'struktureller' Reformen wie des Dreierzyklus (Bachelor, Master, Doktorstudium) gemacht, aber inhaltliche Reformen in Hinblick auf Mobilität, die soziale Dimension und die Beteiligung von Studierenden wurden weitgehend ignoriert, was eine massive Lücke im Kern des Prozesses hinterlässt.

Der Bericht zeigt, dass europäische Studierenden auch 10 Jahre nach Einführung des Prozesses immer noch riesige Hürden vorfinden, z.B. durch sozio-ökonomische Bedingungen, Familiensituation und Genderfragen, dass sie nicht als gleichberechtigte Partner in den akademischen und administrativen Strukturen anerkannt sind, und dass sie weitgehend nicht in der Lage sind, von der Möglichkeit, mobil zu sein, Gebrauch machen zu können."
Und es geht weiter:
"Das heißt, der Bologna-Prozess ist in großer Gefahr, sich als oberflächliche Neugestaltung der europäischen Hochschulstrukturen herauszustellen, und nicht als ein konsequenter Paradigmenwechsel akademischer Bildung."
Die ESU zeigt in ihrem Bericht aber auch, dass in einigen Bereichen immerhin kleine Fortschritte zu beobachten sind und man nicht alles schwarzmalen muss.

Doch es bleibt festzustellen, dass die Kernelemente der Reform in Europa trotzdem niemals wirklich ernst genommen wurden.

Der 10. Geburtstag des Bologna-Prozesses ist daher nicht die richtige Zeit zu feiern, sondern sollte eher als Gelegenheit genutzt werden darüber nachzudenken, was alles schief gelaufen ist, und wie man die Ideen - und Ideale - von Bologna vielleicht doch noch retten kann.

Samstag, 25. April 2009

Europawahlen 2009 (89): Die lustige Negativkampagne der SPD

(Original: European Parliament elections 2009 (89): German campaign starts creative)

Die SPD beginnt ihren Wahlkampf mit einem Paukenschlag und einer witzigen Negativkampagne.



Schief und krumm habe ich mich gelacht, das ist immerhin mal was Kreatives. Wenn nur die Gegenseite nicht so schnell wäre...





Das verspricht ja immerhin, ein lustiger Wahlkampf zu werden...!

(via Blogfürst)

Freitag, 24. April 2009

Europawahlen 2009 (88): Die Auftaktveranstaltung zur Wahlkampagne der Europäischen Sozialisten

(Original: European Parliament elections 2009 (88): The PES campaign launch (my Twitter coverage))

Ich hab mir heute Abend doch tatsächlich zweieinhalb Stunden Livestream der Auftaktveranstaltung der Wahlkampagne der Europäischen Sozialisten und Sozialdemokraten (PES) angetan. Das ist sogar für einen Politik- und Europabesessenen wie mich ein ziemliche Herausforderung.

Ich habe live von der Veranstaltung getwittert, und in der englischen Version dieses Beitrags finden sich auch alle Tweets von heute Abend wieder (habe leider keine Zeit für eine deutsche Übersetzung).

Was zu sagen ist, ist das Folgende: Es ist schon ziemlich enttäuschend, dass die Sozialisten, trotz des an den Tag gelegten Optimismus' und Kampfesgeists, nicht den Mumm in den Knochen hatten, ihren Gegenkandidaten gegen Barroso für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten aufzustellen. So werden sie diese Europawahlen, bei allem guten Willen, großer Visionen und Hoffnungen nicht gewinnen.

Ich bin ziemlich enttäuscht!

Ansonsten war die Veranstaltung etwas zu lang, aber dank der guten Stimmung im Saal nicht langweilig.

Europawahlen 2009 (87): Die österreichischen Grünen und die Bildsprache von Wahlplakaten

(Original: European Parliament elections (87): The Austrian Greens and the picture language of billboards)

Max Kossatzvom österreichischen Blog Wissen belastet hat sich das Wahlplakat der österreichischen Grünen etwas genauer angeschaut.

Dass es auf Delacroixs "La Liberté guidant le peuple" basiert ist eindeutig, aber Max fügt dem folgende Bemerkung hinzu:
Auf dem Wahlplakat sieht man leider nicht worauf die Personen stehen.

Denn im Original stehen sie auf Leichen!
Nicht die günstige Bildsprache, möchte man meinen...

Max weist außerdem darauf hin, dass die Bildsprache der österreichen Sozialdemokraten nicht wirklich europäisch ist, sondern sich klassischer nationaler Symbolik bedient.

(via Timpo auf Twitter)

Donnerstag, 23. April 2009

Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft (15): Wie die Tschechen sich in Genf weigerten, die EU zu führen

(Original: The Czech EU-Council Presidency (15): Czechs refuse to fulfil their role during Durban II conference)

I hatte das hier noch gar nicht gehört, bis ich es auf dem Blog Coulisses de Bruxelles gelesen habe:

Die Tschechische Republik hat sich geweigert, die Rolle der Ratspräsidentschaft während der UN-Konferenz gegen Rassismus (Durban II) auszuüben. Das ist mal wieder ein Versagen der EU-Ratspräsidentschaft, die vom ersten Tag an von Problemen überschattet war.

Erlaubt mir einfach, Jean Quatremer zu zitieren (eigene Übersetzung aus dem Französischen):
"Diese Geschichte ist unglaublich und ohne Beispiel: Montagabend in Genf, am ersten Tag der UN-Konferenz gegen Rassismus, besser bekannt unter dem Namen Durban II, teilt der tschechische Botschafter seinen konsternierten europäischen Partnern mit, dass er die Weisung aus Prag erhalten habe, sich nach den antisemitischen Äußerungen von Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad (während dessen Rede die Europäer wie eine Person den Raum verlassen hatten, während die Türkei, immerhin Beitrittskandidat, auf ihrem Sitz verblieb) von der Konferenz zurückzuziehen.

Die 23 anwesenden EU-Mitgliedsstaaten sind perplex: 'Sie können das nicht unilateral tun, Sie haben die Präsidentschaft der Union inne', legen sie ihm nahe. 'Lassen Sie uns erst diskutieren, wir lassen uns doch nicht vom Iran fortjagen'. Nichts zu machen. Der tschechische Botschafter verlässt den Raum. Alle drehen sich zu seinem schwedischen Kollegen um, dessen Land vom 1. Juli an die rotierende EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird. Ohne zu zögern akzeptiert dieser, die Aufgaben des Tschechen zu übernehmen. 'Er hat die europäische Position koordiniert und wir waren so in der Lage, eine Erklärung im Namen der EU abzugeben' berichtet ein Diplomat. [...]"
Das ist eine schockierende Geschichte, und als jemand, der schon EU-Koordinierungen auf internationaler Ebene aus beiden Perspektiven - die der kommenden und der amtierenden EU-Ratspräsidentschaft - gesehen hat, kann ich mir gut vorstellen, wie dieser unfreundliche Akt des tschechischen Vertreters (also seiner Regierung) von seinen Kollegen aufgenommen wurde.

Ich will daher nur das Folgende sagen:

Liebe tschechische Regierung, Ihnen steht es frei, ihre internen Angelegenheit ganz nach ihrem Gusto zu regeln, aber während Sie die EU-Ratspräsidentschaft inne haben, gibt es nur ein Ziel, das Sie bei ihren Handlungen auf internationaler Ebene leiten sollte: Dass unsere Union der 27 Staaten auf die glaubwürdigste, professionellste, und verlässlichste Weise vertreten wird, und sich nicht wie eine Union der Amateure und nationaler Selbstdarsteller präsentiert.

Was da in Genf passiert ist, ist absolut peinlich!

Was war los auf dem ECOSY-Kongress?

(Original vom 22. April: What was going on at the ECOSY congress?)

Letztes Wochenende trafen sich die Jungen Europäischen Sozialisten (ECOSY) zu ihrem Kongress in Brüssel, wo unter anderem auch eine neue Führung gewählt werden sollte.

Auf Twitter bin ich (durc Zufall) auf diese Nachrichten gestoßen:
  • Ilia Markov (Bulgarien): "Zurück aus Brüssel von einem verheerenden ECOSY-Kongress. Aber es war interessant, so ein historisches Ereignis mitzuerleben. :)
  • Villu Viidul (Estland): "Zurück in Estland nach einem ziemlich seltsamen ECOSY-Kongress in Brüssel"
  • Sebastiaan Van der Vliet (Niederlande): "Zurück von meiner (vielleicht) letzten ECOSY-Konferenz in Brüssel. Freitag bizarr, aber großartiges Wochenende"
  • Christophe Schiltz (Luxemburg): "auf einem chaotischen Kongress in Brüssel zum Vize-Präsidenten von ECOSY - Junge Europäische Sozialisten gewählt.
Da ich nicht mehr hierzu im Internet finden konnte, wäre es interessant zu wissen, was da abging!

Einfach nur das übliche Gerangel um Posten, oder steckt da mehr dahinter?

Update: Letzi zufolge steht ECOSY vor einer Zerreißprobe, weil die Sozialdemokraten und die linken Gruppierungen im Streit miteinander liegen.

Mittwoch, 22. April 2009

Pressefreiheit in Europa durch EGMR und EuGH ausgebaut

(Original: The scope of media freedom in Europe expanded by ECHR and ECJ)

Contentandcarrier [deutsch in etwa: Inhalt und Träger] haben zwei aktuelle Urteile europäischer Gerichte analysiert:
die sich beide mit der Pressefreiheit beschäftigen. Contentandcarrier fassen das so zusammen:
"EuGH und EGMR sind eindeutig dazu übergegangen, die klassische Pressefreiheit nicht nur auf traditionelle Medien anzuwenden, sondern auch SMS-Dienste (und vielleicht, implizit, Blogger!) und NGOs, die sich an der 'Schaffung von Foren für öffentliche Debatten' beteiligen, einzuschließen."
Wenn diese Urteile in der Zukunft bestätigt werden, und die Gerichte der Mitgliedsstaaten diese Urteile auch korrekt anwenden, könnte das die Rolle eines auf neuen Medien basierenden Journalismus in der Zukunft vorantreiben.

Meine Hoffnung ist, dass das auch tatsächlich geschieht!

Warum ich blogge?

(Original vom 21. April: Why do I blog?)

Joseph hat mich in einem Kommentar zu einem früheren Artikel [nicht übersetzt] gefragt:

"Warum bloggst du, Julien? Du schreibst verdammt viel - was ist deine Motivation? Bist du einfach ein Geek [schwer zu übersetzen; ungefähr: Streber, Spezialist] (also, voller Leidenschaft für dein Thema)?"

Naja, Geld ist zu machen ist jedenfalls nicht meine Absicht. Das war es nie. Obwohl es lustig wäre von einem Hobby zu leben.

"Leidenschaft" ist vielleicht etwas zu stark, aber im Verhältnis zu anderen kommt das möglicherweise hin. Ich glaube einfach, ich bin mit der Zeit ein Europa- und EU-Geek geworden, auch wenn das nicht von Anfang an so war.

Als ich dieses Blog [Anmerkung: Mein englisches Blog gibt es seit Juli 2008.] angefangen haben, wollte ich Diskussionen dahin bringen, wo es noch nicht genug Diskussionen gab und dabei eine Perspektive hervorheben, die auf die Dinge mit einem europäischen Blick schaut.

Ich habe vor einigen Jahren angefangen, auf europäischer Ebene aktiv zu werden, und schon dort habe ich realisiert, dass die Diskussionen, die ich gesehen und an denen ich teilgenommen habe, nicht wirklich europäische Diskussionen waren. Und sie wurden meist so geführt, als wären die Themen komplett neu - in einem Vakuum ohne Argumente und Perspektiven, das unbedingt mit Leben gefüllt werden muss(te).

Wenn du dir anschaust, was ich auf diesem Blog schreibe, wirst du sehen, dass es verschiedene konkrete Motivationen für die unterschiedlichen Artikel gibt:

Manchmal stoße ich auf eine Sache, einen Text, einen Blogbeitrag, den ich für mich interessant finde oder von dem ich denke, dass er eine größere Leserschaft (wenn man von "größerer" Leserschaft im Kontext von EU-Blogs sprechen kann) verdient hätte. Dann verlinke ich oder ich zitiere, ich kommentiere; manchmal füge ich ein Detail hinzu. Das ist fast keine Extra-Arbeit außer halt einen Link zu setzen und einen kurzen Text zu etwas zu schreiben, das ich sowieso gerade gelesen habe. Das ist schnell getan.

Die zweite Sorte von Artikeln sind solche, die auf Recherche basieren. Man könnte sagen, dass sie das Ergebnis von aufklärerischer oder journalistischer Motivation sind, was sich sowohl an meine Leser aber auch an mich richtet: Ich versuche etwas interessantes zu finden - ein Dokument, eine Diskussion, ein Ereignis - das noch nicht so viel Aufmerksamkeit erhalten hat. Das ist Aufklärung für mich selbst, weil ich etwas über Dinge lerne, die mich vorher noch nicht beschäftigt haben, und es auch Journalismus für mich selbst, denn wäre das Thema schon woanders bearbeitet worden, bräuchte ich ja nicht danach recherchieren und darüber schreiben. Und weil ich das Ganze dann veröffentliche, hat es auch Wirkung für die Welt um mich herum. Normalerweise braucht das Zeit: So ein Artikel kann über mehrere Stunden oder Tage geschrieben sein, abhängig davon wie ich Zeit und Lust habe.

Dann sind da noch eher persönliche Kommentare, Überlegungen, Analysen. Ich schreibe sie - wie schon vor einigen Tagen gesagt - als würde ich für mich selbst schreiben, ganz für mich, wie in einem Tagebuch, selbst wenn das im Nachhinein Reaktionen hervorruft, die über diesen inneren Monolog hinausgehen. Solche Texte brauchen mehr Zeit als man ihnen das von außen ansieht. Ich hab schon mehrere solcher Artikel wieder gelöscht, weil ich sie nicht fertigstellen konnte oder weil sie zu persönlich geworden wären.

Die vierte Kategorie sind politische Beiträge. Ich bin ein politischer Mensch, und manche Sachen gehen mir einfach auf die Nerven, so dass ich mich (politisch) genötigt fühle zu kritisieren oder zumindest zu reagieren. Das ist so ähnlich wie in der ersten Kategorie, nur dass solche Text mehr aus längerfristiger innerer Überzeugung als aus spontanem Interesse erwachsen.

Ich denke mal, das sollte zu einem guten Teil erklären, warum ich relativ viel schreibe:

Es gibt verschiedene Motivationen für mein Schreinen, und was die Sache zum Strebertum oder zur Leidenschaft macht, ist, dass ich es niederschreibe, dass ich mir die Zeit dafür nehme, anstatt es für mich zu behalten.

Der wichtigste Ansporn bleibt aber, dass die meisten Dinge, über die wir in der EU-Blogosphäre schreiben, immer noch keine Öffentlichkeit gefunden haben, dass ihnen die Aufmerksamkeit der Medien, der Bürger und selbst der professionellen politischen Akteure überall auf diesem Kontinent fehlt.

Und solange ich fühle, dass es diese Lücke gibt, werde ich weiterbloggen: Bis zu dem Tag, an dem ich das Gefühl habe, dass ich (fast) alles, das mich in Europa und der Europäischen Union interessiert, aus anderen Quellen bekommen kann.

Dienstag, 21. April 2009

Siims Haushalt, Josés Wahlkampagne

(Original: Siim's budget, José's campaign)

Am 4. Mai wird EU-Kommissar Siim Kallas dem Haushaltsausschuss des Europaparlaments den vorläufigen Haushaltsentwurf für 2010 vorstellen.

Für Follow The Money ('Folge dem Geld') wird dieser Haushalt auch Teil der Wiederwahl-Kampagne von Kommissionspräsident José Manuel Barroso sein.

Ich für meinen Teil hätte es ganz gerne, wenn die Europäischen Parteien den Haushaltsentwurf, sobald er draußen ist, in echtem Wahlkampfstil kommentieren und dann ihre Mitgliedsparteien nutzen würden, um dieses öffentlich zu machen.

Montag, 20. April 2009

Bessere Rankings, nicht bessere Universitäten?

(Original: Better rankings, not better universities?)

Nach dem Lesen dieses Blog-Beitrags von EU-Kommissar Janez Potočnik, verantwortlich für Wissenschaft und Forschung, muss ich mich schon fragen, ob es das Ziel des Kommissars ist, die europäischen Universitäten zu verbessern, oder einfach nur die Ratings...?

Politikportal.eu

Hier mal ein kurzer Blogbeitrag nur für die deutschen Leser:

Unbedingt empfehlenswert ist die Seite politikportal.eu, die eine absolut professionelle Presseschau deutsch- und englischsprachiger Europa-Nachrichten bietet.

Insbesondere der tägliche Newsletter mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Nachrichten des Tages hat es mir angetan!

Bitte anschauen!

Ungesunde Akronyme der EU Kommission: RAPEX

(Original: Unhealthy acronym by the European Commission: RAPEX)

Hin und wieder sind Akronyme seltsam . Sehr selten sind sie aber auch extrem dumm.

In letztere Kategorie zählt dieses hier: RAPEX.

Ein (inzwischen umbenanntes) Anti-Vergewaltigungskondom (Anmerkung: "Rape" bedeuted "Vergewaltigung" auf Englisch) und eine Gesundheitsinitiative der EU-Kommission hätten beinahe den gleichen Namen erhalten - RAPEX - aber nicht die Initiative der Kommission sondern das Anti-Vergewaltigungskondom wurde umbenannt...!?

RAPEX????? Ein Akronym der EU-Kommission?

Wer auch immer diesen Namen in der Kommission erfunden hat, sollte sich für den Rest seines Lebens verstecken. Und ein absolutes Verbot erhalten, jemals wieder ein Akronym zu erschaffen.

Mehr zu diesem Thema gibt's beim Berlaymonster, durch das ich auf diese Sache aufmerksam geworden bin.

Europawahlen 2009 (86): Sind die Schotten unterrepräsentiert?

(Englisches Original)

Via Tom bin ich auf die folgende Aufstellung im Blog von Jeff gestoßen:
Denkt mal darüber nach:
  • Die Slowakei hat 5,4 Millionen Einwohner und ist durch 14 Europaparlamentarier (MdEPs) vertreten.
  • Finnland hat 5,3 Millionen Einwohner und wird von 14 MdEPs repräsentiert.
  • Irland hat eine Bevölkerungszahl von 4,4 Millionen Einwohner und wird durch 13 MdEPs vertreten.
  • Litauen hat eine Bevölkerungszahl von 3,3 Millionen Menschen und wird von 13 MdEPs vertreten.
  • Lettland hat eine Bevölkerung von 2,2 Millionen Menschen und wird von 9 MdEPs repräsentiert.
  • Slowenien hat eine Bevölkerung von 2 Millionen Einwohnern und wird von 7 MdEPs vertreten
  • Estland hat eine Bevölkerung von 1,3 Millionen Einwohnern und wird von 6 MdEPs repräsentiert.
  • Schottland hat eine Bevölkerung von 5,2 Millionen Einwohnern und wird von läppischen 6 MdEPs vertreten.
Tatsächlich aber, berechnet man die Zahl der Einwohner pro MdEP, dann ist die Quote für Schottland relativ nah bei der Quote für das gesamte Vereinigte Königreich (das VK ist in 12 Stimmbezirke mit je 4 bis 10 Abgeordneten unterteilt), welches wiederum eine vergleichbare Quote wie Deutschland hat.

Das heißt: Im Vergleich zu kleineren EU-Mitgliedsstaaten mag Schottland unterrepräsentiert sein, aber im Verhältnis zur Gesamtzahl der MdEPs des Vereinigten Königreichs ist eine schottische Stimme ähnlich gewichtet wie die jedes anderen Bürgers im Königreich.

Sonntag, 19. April 2009

Europawahlen 2009 (85): Die Informationskampagne des EPs und seine Defizite in Deutschland

Original (19. April 2009):
European Parliament elections 2009 (85): The EP's information campaign and information deficits in Germany
Am Freitag war ich im Info-Point der Europäischen Kommission und des Informationsbüros des Europäischen Parlaments in Berlin, ganz in der Nähe des Brandenburger Tors.

Ich wollte sehen, wie sehr die Europawahlen die Öffentlichkeitsarbeit des Info-Points - dort wo Berliner und deutsche sowie europäische Touristen gleichermaßen vorbeischauen - jetzt schon beherrschen würden

Um es kurz zu machen: Bislang dominieren die Europawahlen noch nicht, obwohl schon einen guten Teil der Informationsmaterialen darauf ausgerichtet ist. Eine Liste der Materialien am Ende dieses Beitrags.

Erwähnenswert ist allerdings, dass mir der Mitarbeiter am Info-Stand auf Anfrage nicht befriedigend mitteilen konnte, welchen öffentlichen Veranstaltungen und sonstigen Aktivitäten in Berlin im Rahmen der Informationskampagne stattfinden. Einzig die Pressekonferenz von ARD, ZDF, RTL, ProSieben/Sat1 und MTV/VIVA am 27. April zur Präsentation der Kampagnenspots war ihm geläufig.

Alle anderen Veranstaltungen würden von Partnerorganisationen organisiert werden, aber alles was ich dazu bekommen konnte war ein Ausdruck aller Projekte deutschlandweit, meist ohne Angabe von genauem Zeitpunkt oder Veranstaltungsort.

Das einzig wirklich Relevante, das ich auf diesem Ausdruck erfahren habe, ist dass die Informationsmaterialen ab dem 1. Mai verteilt werden. Aber es fehlt jeder Hinweise auf die Veranstaltungen von Könnt Ihr Mich Hören, Europa, auf die Kick-Off Veranstaltung der Europawahlgang '09 oder auf andere Aktivitäten in und um Berlin.

Auch wie viele Kampagnen-Plakate in Berlin aufgehängt werden, und wann das geschieht, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.

Ich meine, dass das Informationsbüro mehr Gewicht auf die Europawahlen legen sollte. Außerdem muss die Abstimmung mit den lokalen Partnern verbessert werden, damit alle Veranstaltungen auch genügend Aufmerksamkeit erhalten.

Warum Geld für Webseiten, Infomaterialien und TV Spots ausgeben, wenn niemand mitbekommt, dass es auch Veranstaltungen in der wirklichen Welt gibt, an denen man aktiv teilnehmen kann anstatt einfach nur Informationen zu konsumieren?

Ein Informationsbüro in bester Lage von Berlin nicht zur Öffentlichkeitsarbeit für lokale und nationale Partner zu nutzen zeigt, dass es da an Abstimmung zwischen den Institutionen und den Partner mangelt.

Ich finde, diese Defizite sollten so schnell wie möglich angegangen werden!

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Liste der Materialen zu den Europawahlen


1) Themenheft (N° 26) der "EU-Nachrichten" zu den Europawahlen

Auf 24 Seiten gibt's Infos zur Geschichte und zur Arbeit des Europaparlaments. Nett, sehr gut zu lesen. Und auf Seite 20-21 werden die Web 2.0 Aktivitäten der EU-Parlamentarier vorgestellt, und zwar entgegen meiner Erwartungen eher kritisch. Zu wenige Politiker verwenden die neuen Medien zur Kommunikation, und wenn, dann eher als Einbahnstraße.

2) Das Buch "Europa 2009" (Download; PDF)

105 Seiten rund um die EU, wobei die ersten 20 Seiten dem Europaparlament und den Wahlen gewidmet sind. Das ist schon eine ganz ordentliche Lektüre, und auch wenn das Design modern ist, habe ich Zweifel, dass viele Bürger (vor allem junge, denn das Design richtet sich eindeutig an die jüngere Generation) sich das komplett antun werden.

3) Poestkart "Per Handy zur Europawahl"

Die Postkarte informiert über die Möglichkeit, sich zu registrieren, um kurz vor der Wahl eine Erinnerungs-SMS zu bekommen.

4) Flyer "Berlin wählt Europa"

Dieser Flyer ist Teil der Kampagne der Stadt und des Bundeslandes Berlin. Eindeutig hässlich. Lesen muss man den auch nicht. Allerdings habe ich auf der dort aufgeführten Berliner Webseite zu den Europawahlen den folgenden Clip gefunden, mit dem die Berliner zum Wählen animiert werden sollen:

Europa - Politik

Dies ist die deutsche Version meines englischsprachigen Europa-Blogs "Julien Frisch - Watching Europe".

Hier werde ich hauptsächlich Übersetzungen meiner englischen Artikel veröffentlichen, um auch der deutschsprachigen Öffentlichkeit Zugang zu europäischen Debatten zu ermöglichen.

Hin und wieder kann es sein, dass ich auch eigenständige Artikel auf diesem Blog schreibe, wenn sich bestimmte Themen anbieten, die nur im deutschen Kontext wirklich relevant oder verständlich sind. Welchen Umfang das annehmen wird, hängt von meiner Zeit, euren Reaktionen, und der Themenlage ab.

Da dies hier ein Versuch ist, nehme ich gerne Anregungen für Verbesserungen oder Veränderungen auf!